Über Mascha Kaléko

Mascha Kaléko, 1907 als Golda Malka Aufen in Chrzanów, Galizien, geboren, begann in den 1920er-Jahren zu schreiben. Ihre frühen Gedichte sind pointierte Alltagsskizzen auf Berlinerisch, Kaléko selbst wird als “Schwester im Geiste” von Zeitgenossen wie Joachim Ringelnatz oder Erich Kästner beschrieben. Die eigentümliche Mischung aus Melancholie und Witz, bleibender Aktualität und politischer Schärfe macht ihre Lyrik so unwiderstehlich wie zeitlos.

Als ihre Bücher von den Nationalsozialisten verboten wurden, musste Kaléko als deutsche Jüdin 1938 mit Ehemann und Sohn in die Vereinigten Staaten emigrieren, wo sie die Familie mit dem Verfassen von Werbetexten über Wasser hielt. Nach dem Krieg fand Kaléko auch in Deutschland wieder ein Publikum und kehrte für Lesungen nach Westdeutschland zurück.

Die Nomination für den Fontane-Preis der Akademie der Künste in Berlin (West) 1960 lehnte sie aber ab, nachdem sie erfuhr, dass ein ehemaliger SS-Standartenführer in der Jury für den Preis sass. Im selben Jahr wanderte sie ihrem Mann zuliebe mit ihm nach Jerusalem aus, wo sie unter der sprachlichen und kulturellen Isolation litt.

Nach persönlichen Verlusten – innerhalb weniger Jahre starben ihr Mann und ihr Sohn – besuchte Mascha Kaléko 1974 ein letztes Mal Berlin, um einen Vortrag zu halten. Auf dem Weg zurück nach Jerusalem verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand. Sie musste in Zürich einen so nicht geplanten Aufenthalt einlegen und operiert werden. Die Schweiz – Zwischenstation zwischen ihrer alten Heimat Berlin, ihrer neuen Heimat in Jerusalem und ihrer Exilheimat USA – sollte Mascha Kalekos letzter Aufenthaltsort bleiben: Sie starb am 21. Januar 1975, ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof Oberer Friesenberg in Zürich.

Das Schreiben war für sie stets eine existenzielle Notwendigkeit: Schreibend reagierte Mascha Kaléko auf kleine Ärgernisse ebenso wie grosse Tragödien, auf Krieg und Flucht, Heimatlosigkeit und Einsamkeit. Die Ereignisse und Erlebnisse, die politischen Grosswetterlagen und persönliche Schikanen, die Verbindung von Selbst und Welt, die sie in ihren Texten klarsichtig in Worte fasst, sind Kommunikationshilfen, die bis heute wirken: Sie stellen die Privatperson mitten in die Gesellschaft, zeigen sie als beeinflusst von politischem Geschehen und begegnen der Gegenwart mit grosser Lebensenergie.

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In den Regen

 Stehst du jetzt auch und trauerst  in den Herbst

vor Nebel überwölkten  Fensterscheiben?

 

Gehst du jetzt auch verlassen durch den Park und lässt wie wild das Laub vom Wind dich treiben? Hockst du jetzt auch bei müdem Lampenlicht und schreibst an den Papierkorb lange Briefe?

 

Horchst du wie ich

wenn draußen jemand spricht und hoffst  noch immer, dass dich einer riefe?

Kein Laut nur  Regent ropft von Fensterscheiben, was mich betrifft, ich fühl mich so allein, ich möchte meine Sumpfschildkröte sein.

Und mich in tiefen

Winterschlaf versenken.

aus: Mascha Kaléko: Sämtliche Werke und Briefe © 2012 dtv Verlag, München